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+++ Liveübertragung der abschließenden Besprechung der SOKO „Perversenmord“ im Polizeirevier +++
Um den Konferenztisch sitzen: Kommissar Grünerwald, pfeiferauchend, Wachtmeister Dimpfelmoser, kaffeetrinkend, Wachtmeister Schießdaneben, protokollführend, und Harry, der mit dem Autoschlüssel klappert und darauf wartet, dass er den Wagen vorfahren darf.
Grünerwald: „Also um es nochmal für die ganz Langsamen zusammenzufassen, Dimpfelmoser. Damit meine ich ausdrücklich nicht Sie, nun gut, nur so ein bisschen, Sie verstehen, wie ich es meine, nichts für ungut!
Also dieser Barker Carnell ist ein Schwerenöter und ein Frauenheld. Seine Frau trennt sich irgendwann von ihm, er hat eine devote Geliebte, sieht aber das Bild von Miss Lily in der Zeitung und verliebt sich in sie. Er sucht gezielt die Gelegenheit, an sie heranzukommen, und findet seine Chance auf der Geburtstagsparty von Miss Miyu am 04.12.2015. Er macht sich ungeniert an Miss Lily heran und löst damit ein Eifersuchtsdrama bei Miss Miyu aus. Als Barker kurz nach draußen geht, um eine zu rauchen, folgt sie ihm und macht ihm klar, dass er seine Finger von ihrem Eigentum zu lassen hat: Sie jagt ihm einen Pantherpfeil höchst schmerzhaft in die Schulter!“
Grünerwald zückt Miyus Abschlussaussage und liest daraus vor: „Aber ich habe ihn definitiv nicht umgebracht, Herr Kommissar! Was bilden Sie sich eigentlich ein, wen Sie vor sich haben? Ich war Mitglied bei einem der berühmtesten Pantherstämme Gors, meine En war die weibliche Version von Ausbilder Schmidt, ich bin ausgebildet im Fernkampf am Bow und im Nahkampf mit dem Dagger wie keine andere, und glauben Sie mir, da können Sie einen drauf lassen, Herr Kommissar: Wenn ich Barker hätte töten wollen, dann wäre der auch tot! – Oh, er ist ja tot – also, was ich sagen wollte: Dann wäre der nicht anschließend gerannt, als ob eine Horde Dolcett-Zombies hinter ihm her wäre, da können sie sich einen drauf genehmigen, Herr Kommissar! Eine Lektion habe ich ihm erteilen wollen, eine, die er garantiert nicht vergisst. Ich liebe meine Lily nämlich, und wenn da so ein Typ herkommt, bei dem sofort klar ist, dass er sie benutzen und wegwerfen und verletzen wird, dann werde ich mir das nicht mit ansehen, sondern handeln, Herr Kommissar!“
Dimpfelmoser: „Eine streitbare junge Amazone, diese Miss Miyu… ob sie vielleicht einen Hausdiener gebrauchen kann?“ *sabbert ein bisschen*
Grünerwald zieht an seiner Pfeife und fährt fort: „Barker Carnell packt seinen Koffer und rennt, den Pfeil in der Schulter, die Straße entlang, auf der Flucht vor Miss Miyu. Am Haupteingang zum College stößt er mit Lady Aranea zusammen, der Lehrerin, die ihn folgenschwer verwechselt.“
Grünerwald zitiert aus der Abschlussaussage von Lady Aranea: „Also, ich saß ja oben im Lehrerzimmer und habe Hefte korrigiert. Und die Musik von der Party war wieder dermaßen laut, dass ich mich kaum konzentrieren konnte! Diese jungen Leute! Irgendwann bin ich runter, um der Sache Einhalt zu gebieten und dafür zu sorgen, dass sie die Musik leiser drehen. Ich nehme also meinen Regenschirm, weil es draußen schon wieder zu nieseln anfing, und will auf die Straße, da rennt mich dieser Kerl fast um. Wie der da rannte mit seinem Koffer, da dachte ich sofort, dass es der entfleuchte Sklave ist. Niemals hätte ich den mit Mister Carnell in Verbindung gebracht! Darum habe ich das bei meiner ersten Aussage überhaupt nicht erwähnt. Sie haben mich ja auch überhaupt nicht nach dem Partyabend gefragt, sondern nur nach dem Fundtag und allem, was unmittelbar davor war. Woher hätte ich wissen sollen, dass dieser unhöfliche, rennende und rempelnde Mensch mein späterer Vermieter war? – Also, ich dachte an dem Abend, es ist der entfleuchte Sklave, so wie der gerannt ist. Uns ist nämlich vor kurzem ein Sklave entfleucht, wissen Sie, und da wird man natürlich achtsam! Jedenfalls darf man entfleuchte Sklaven keineswegs einfach so davonkommen lassen, darum habe ich ihm ein Bein gestellt und ihm noch eins mit dem Regenschirm auf die Zwölf übergezogen, auch damit der mal lernt, dass er mich nicht einfach ungestraft umrennen kann. Er stolperte, er fiel, er kam nochmal hoch und taumelte weiter, ich wollte ihm noch nach – aber er war plötzlich weg! Wie vom Erdboden verschluckt! Da bin ich dann lieber wieder rein, weil ich mich draußen nicht erkälten wollte und die Party eh langsam im Ausklingen war. Wenn ich gewusst hätte, dass das Barker Carnell war!“
Dimpfelmoser: „Eine konsequente, reife Mistress, diese Lady Aranea – wenn Miss Miyu kein Interesse hat – ob dann Lady Aranea wohl einen Hausdiener gebrauchen kann?“ *sabbert noch mehr*
Schießdaneben: „Die Lady hat ihm ein Bein gestellt und ihn dadurch zum Stolpern gebracht. Er fiel, dadurch brach der Pfeil ab, den wir auf der Straße gefunden haben, die Spitze blieb in der Schulter stecken. Barker rappelte sich nochmals kurz hoch, fand aber das Gleichgewicht nicht wieder und stürzte die Hafenmauer hinab. Richtig so weit?“
Grünerwald: „Richtig, Schießdaneben. Sie sind gar nicht so dumm, wie Sie aussehen. Barker stürzte die Hafenmauer hinab auf die Steine, und das war auch die eigentliche Todesursache. Die Mauer ist leider überhaupt nicht gesichert an dieser Stelle. Mister Carnell ist sehr unglücklich gestürzt. Mit dem Aufschlag unten war er tot. Alles andere zuvor – der Pfeil von Miss Miyu, das Stück Regenschirmspeiche von Lady Aranea – waren oberflächliche Verletzungen, keine davon wäre tödlich gewesen.“
Harry klappert nachdrücklich mit dem Autoschlüssel: „Dauert es noch lange, Chef, oder kann ich schon mal den Wagen vorfahren?“
Grünerwald runzelt unwillig die Stirn: „Gleich, Harry! Der Abschlussbericht ist wichtig, auch für die Pressekonferenz nachher. Wir müssen das vorher einüben, sonst blamieren wir uns so wie dieser unglückliche Polizeipräsident da neulich aus Köln, wie hieß er doch gleich, „Albern“ oder so ähnlich…“
Grünerwald nimmt die Pfeife in die andere Hand und fährt fort: „Unten an der Hafenmauer war derweil Herr Ross mit dem Mädchen Alina zugange. Sie haben da unten – hm – ja – etwas getan, was beide nicht näher ausführen wollten. Hm. Tja. Also die beiden hatten da unten eine Art „Stelldichein.“ Als Barker die Hafenmauer herunterstürzte, verstand der junge Mann als erstes, was Sache war. Das Mädchen nicht, sie dachte, etwas anderes sei die Hafenmauer heruntergefallen.“
Grünerwald zitiert aus der Abschlussaussage von Alina Sue: „Ich war mit Jan unten an der Hafenmauer. Wir haben – geredet. Plötzlich gab es hinter uns einen Schlag, als ob etwas heruntergefallen ist. Nur so ein Klatschen auf den Steinen und dann nichts mehr, keine Bewegung, keine Atemzüge. In der Dunkelheit konnte ich nichts erkennen. Ich dachte, ein Sack wäre von oben heruntergefallen, da oben stehen ja immer Kisten und Säcke von den Schiffen herum, die von den Arbeitern noch verladen werden müssen. Jan ist kurz nachschauen gegangen, dann kam er zurück und hat mich wieder zu der Party geschickt. Er sagte, er muss dringend noch was erledigen, und für mich sei es besser, wenn ich wieder reinginge.“
Schießdaneben: „Ein ritterlicher junger Mann, dieser Jan Ross. Er wollte das Mädchen nicht verängstigen und in nichts hineinziehen.“
Grünerwald nickt: „Korrekt. Mister Ross erfasste den Ernst der Lage sofort. Er sah, dass hier ein Toter in seinem Blut lag und überlegte blitzschnell, was zu tun war. Sein Ansinnen war tatsächlich ehrenhaft und ritterlich: Er wollte Schaden vom College abwenden. Ihm war bewusst, dass ein Toter, womöglich ein Mordopfer, den Ruf der ohnehin durch Kriminalität belasteten Stadt und Universität weiter verschlechtern würde. Kuratoriumsmitglieder könnten Konten sperren, besorgte Erziehungsberechtigte ihre Töchter von der Schule abmelden… all so etwas. Das College hatte erst kürzlich Probleme mit der New Yorker Mafia. Mister Ross wollte verhindern, dass sich etwas Ähnliches wiederholt, und beschloss, die Leiche diskret verschwinden zu lassen. Er warf sich den Toten über die Schulter, nahm dessen Koffer und fuhr nach BDSM-Island, eine Insel, von der bekannt ist, dass sie praktisch verlassen ist und im Dornröschenschlaf liegt. Er wusste keineswegs, dass er Mister Carnell damit in sein Zuhause zurückbrachte und dass er dabei vom Gärtner beobachtet wurde. Noch konnte er ahnen, dass der Dachboden des leeren Hauses, auf dem er die Leiche ablegte, zwei Monate später von seiner Lehrerin als Ferienhäuschen gemietet werden würde! Mister Ross muss Furchtbares durchgemacht haben, als Lady Aranea plötzlich über die Leiche stolperte, damit unter Verdacht stand, und Ermittlungen gegen sie und die gesamte Collegeklasse eingeleitet wurden. Er hat ja auch recht gezielt und geschickt versucht, uns auf die falsche Fährte zu locken, indem er gleich am ersten Abend zu Protokoll gab, die Leiche sei vermutlich eine historische Leiche und keineswegs erst vor kurzem zu Tode gekommen, und auf dem Fußboden sei ihm eine Karte von Italien aufgefallen. Bei den sonstigen Ermittlungen hat er sich hingegen auffällig zurückgehalten. Eigentlich hätte das unseren Verdacht wecken müssen. Aber hinterher ist man immer schlauer. Mister Ross war der einzige aus der Gruppe, der die ganze Zeit wusste, wie die Leiche auf den Dachboden des Ferienhauses von Lady Aranea gekommen war.“
Dimpfelmoser: „Aber Herr Kommissar – ermordet hat er ihn nicht?“
Grünerwald: „Das ist durchaus richtig, Dimpfelmoser. Es gab nie einen Mord, nur eine Verkettung äußerst unglückseliger Umstände, die zum Tod des bedauernswerten Mister Carnell geführt haben. Es war, wenn Sie so wollen, ein Unfall mit Todesfolge.“
Dimpfelmoser: „Aber, Herr Kommissar… nehmen wir mal an, es ist ganz anders gewesen. Für mich sind etliche Ungereimtheiten in der Geschichte. Und es sind lauter Perverse beteiligt! Was ist, wenn in Wirklichkeit Miss Miyu sehr genau wusste, was sie da tat… und sie Barker absichtlich nur oberflächlich verletzte, um ihn ihrer Lehrerin in die Arme zu treiben, die bereits auf das Opfer wartete? Wenn Lady Aranea ihrer Schülerin helfen wollte und ihr Werk vollendete, indem Sie Barker Carnell mit dem Regenschirm den Todesstoß gab und ihn absichtlich die Hafenmauer hinunterstieß… wo der Junge ihm dann den Rest gab und die Leiche verschwinden ließ, während Alina dabei Schmiere stand und Pea und Bia derweil alle anderen Partygäste mit ihrem Poledance abgelenkt haben? Was, wenn das alles eine abgesprochene Sache war? Und dieses Perversencollege einfach nur zusammenhält, die Lehrerin die Schüler deckt und die Schüler die Lehrerin? Was, wenn sogar der Fund der Leiche ein abgekartetes Spiel war, weil die Gruppe nervös wurde, dass sich auf dem abgelegenen Island so gar keiner rührte, und sie die Sache zum Abschluss bringen wollten… die Lady das Ferienhaus also absichtlich zwei Monate später mietete, um dann selbst die Leiche geschickt inszeniert zu „finden“?“
Grünerwald stopft sich die Pfeife neu und zündet sie an: „Sie meinen, quasi eine „kontrollierte Sprengung“, Dimpfelmoser? Weil eine abgeschlossene Polizeiakte mit dem Vermerk „Unfall mit Todesfolge“ sicherer ist als eine zeitbombenartig tickende Leiche im Keller, äh, auf dem Dachboden?“
Dimpfelmoser: „Genau, Herr Kommissar. Und was ist, wenn sogar die Leiche gar nicht Barker Carnell ist, sondern tatsächlich der entfleuchte Sklave, an dem ein Exempel statuiert werden sollte? Und man uns von Anfang bis Ende eine große Komödie vorgespielt hat?“
Grünerwald nimmt einen tiefen Zug aus der Pfeife. „Sie haben eine blühende Phantasie, Dimpfelmoser. Wahrhaft blühend. Selbst wenn es so war, wie Sie sagen – wir werden das niemals beweisen und nachweisen können. Schließen wir also die Akte und sagen wir der Presse, was sie hören will. Die Wahrheit aber, Dimpfelmoser… die Wahrheit liegt irgendwo da draußen.“
– ENDE –